Der Schweizerische Arbeitgeberverband stellt acht konkrete Massnahmen gegen den Fachkräftemangel vor. Mit einer Erhöhung des Arbeitsvolumens, zusätzlichen Anreizen für eine höhere Erwerbstätigkeit und einer Steuerung der Bildung könnten zehntausende Stellen mit inländischem Fachpersonal besetzt werden.
Der Fachkräftemangel hat sich zum grössten Bremsklotz für die Schweizer Wirtschaft entwickelt. Schon jetzt bleiben rund 120‘000 Stellen unbesetzt. Diese Entwicklung wird sich noch deutlich verschärfen: Eine Million Babyboomer gehen in Pension. Weil geburtenschwache Jahrgänge nachrücken, fehlen in der Schweiz bis 2030 eine halbe Million Arbeitskräfte. Die Situation verschlimmert sich zusätzlich durch den Rückgang der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Der Teilzeitboom und verschiedene neu eingeführte Urlaubsformen haben dazu beigetragen, dass die Bevölkerung 14 Tage pro Jahr weniger arbeitet als noch vor zehn Jahren. «Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen wir das gesamthaft geleistete Arbeitsvolumen erhöhen und nicht über eine weitere, generelle Senkung nachdenken», sagt Daniella Lützelschwab, Leiterin des Ressorts Arbeitsmarkt beim Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV).
Wenn beide Elternteile mit hohen Pensen im Arbeitsmarkt teilnehmen sollen, müssen sie sich auf gut funktionierende und überall vorhandene Drittbetreuungsangebote für ihre Kinder verlassen können. Kitas und Tagesschulen müssen stärker gefördert werden. Jeder staatliche Franken, der die Kinderbetreuung subventioniert, muss in zusätzliche Arbeit fliessen, nicht in mehr Freizeit. Die Arbeitgeber ihrerseits sind angehalten, familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu fördern. Im Bereich der Steuern gehören die Heiratsstrafe und die negativen Erwerbsanreize endlich abgeschafft, und die Individualbesteuerung muss eingeführt werden. Eine individuelle Besteuerung würde bis zu 60’000 zusätzliche Vollzeitstellen generieren.
Das Interesse der Jugendlichen und ihrer Eltern an einer Berufsbildung muss wieder vermehrt geweckt werden. Es gilt, insbesondere jungen Frauen, geeignete Berufsbilder und die Vorteile der Berufsbildung frühzeitig zu vermitteln. Zudem kann die Einführung eines Berufsbildungs-Bachelors und -Masters die Anerkennung der Berufsbildung und deren berufsorientierten Aus- und Weiterbildungen in der Gesellschaft steigern.
Da der Trend zu Mini-Pensen vor allem bei Akademikerinnen und Akademikern anhält, lohnt sich deren teure Ausbildung wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht mehr. Für eine Vollzeitstelle müssen mittlerweile zwei bis drei Personen auf Hochschulniveau ausgebildet werden. Akademikerinnen und Akademiker sollen ihre Studienkosten deshalb bewusst amortisieren müssen. Die Arbeitgeber fordern zudem, dass eine verbindliche Studienberatung in der Oberstufe verankert wird. Damit können den insbesondere auch schulischen starken Jugendlichen alle Optionen und möglichen Folgen sowie Chancen der Berufsbildung aufgezeigt werden.
Einen grossen Effekt auf die bessere Ausschöpfung des inländischen Fachpersonals versprechen sich die Arbeitgeber auch von einer Modernisierung des Arbeitsgesetzes. Die strengen Arbeitszeitregelungen sollen gezielt gelockert werden, so dass Arbeitnehmende ihre Arbeitszeiten mitbeeinflussen und beispielsweise die Arbeit zur Erledigung von privaten Bedürfnissen unterbrechen können. Studien zeigen, dass sich grössere zeitliche Autonomie bei der Arbeit positiv auf die Bewältigung von Stresssituationen auswirkt, bemerkt der SAV.
Um das Bündel an Massnahmen umzusetzen, sind wir alle gefordert. «Die Betriebe, die Politik, aber auch die Gesellschaft müssen sich bewegen und teilweise auch umdenken, wenn wir den grossen Arbeitskräftebedarf in den nächsten Jahren nicht ausschliesslich über eine höhere Zuwanderung füllen wollen», erklärt Roland A. Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes.
Der Massnahmenplan gegen den Fachkräftemangel kann hier heruntergeladen werden.